Aktiv und gesund – Wie viel Bewegung braucht ein Pferd?

Aktiv und gesund – Wie viel Bewegung braucht ein Pferd?

Als Lauf- und Steppentiere benötigen Pferde ausreichend Bewegung – aber wie viel ist genug? Wir geben Ihnen einen Überblick über Richtlinien und Empfehlungen, welche Faktoren den Bewegungsbedarf beeinflussen und wie Sie in der Pferdehaltung für einen aktiven Alltag sorgen.

 

Richtlinien und Empfehlungen für die Bewegung von Pferden

Allgemein gültige Vorgaben für die Bewegung von Pferden gibt es nicht, da der individuelle Bedarf von zahlreichen Faktoren abhängt – unter anderem vom Alter, der Rasse oder der körperlichen Verfassung. Es gibt jedoch einige Empfehlungen, die als grundlegende Orientierung dienen können.

Laut den Richtlinien des BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) sollten sich Pferde in jedem Fall täglich mehrere Stunden (mindestens 2) frei bewegen können. Freie Bewegung bedeutet dabei eine unkontrollierte Aktivität auf Koppel, Ausläufen und Paddocks, damit das Tier seinem natürlichen Bewegungsdrang nachgehen sowie Energie und Spannung ausreichend abbauen kann. Bedenken Sie dabei, dass 2 Stunden täglich das absolute Mindestmaß sind. Um die Gesundheit und Zufriedenheit Ihrer Tiere zu fördern, planen sie optimalerweise mehr Zeit ein. Verschiedene Studien belegen sogar, dass je länger und regelmäßiger Pferde ungezwungen aktiv sein können, desto weniger entwickeln sie Krankheiten und physiologische Schäden, die eine Operation erfordern.

Im Unterschied zur freien Aktivität gehören Arbeitseinsätze oder Trainingseinheiten wie beim Reiten, Fahren, Führen und Longieren zur kontrollierten Bewegung. Die Abläufe der Tiere werden dabei stärker gelenkt und können Stress und angestaute Energie bereits zu einem gewissen Grad kompensieren. Ein kompletter Ersatz für eine freie, instinktive Bewegung, bei dem sich das Pferd ungehindert “Luft machen” kann, sind sie jedoch nicht. 

Pferdehalter können den täglichen Bewegungsbedarf des Pferdes durch eine Kombination von kontrollierter und freier Bewegung decken. Gerade die Ergänzung der freien Bewegung durch die gezielte Belastung von kontrollierten Bewegungen sind dabei durchaus sinnvoll, um zum Beispiel die Atemwege noch besser zu belüften. 

Fohlen oder Stuten, die nicht in Trainingseinheiten oder Arbeitsaufgaben eingebunden werden können, sollten in der Haltung dafür die Möglichkeit haben, ihrem Bewegungsdrang bei täglich mehreren Stunden freien Auslauf umfassend nachgehen zu können.

 

Folgen von zu wenig Bewegung

In freier Wildbahn sind Pferde täglich bis zu 18 Stunden unterwegs. Dabei streifen sie auf Nahrungssuche vor allem im Schritt bis zu 16 km am Tag durch ausgedehnte Gebiete und nehmen immer wieder kleine Mahlzeiten zu sich. Für den Weg zu einer weiter entfernten Wasserstelle oder in Fluchtsituationen galoppieren oder traben sie zudem.

Der gesamte Pferdekörper ist somit von Natur aus auf viel Bewegung ausgelegt und sollte in der Pferdehaltung entsprechend aktiv gehalten werden. Mangelnde Bewegung führt mit der Zeit zu physischen und mentalen Störungen, die Unzufriedenheit und chronische Krankheiten begünstigen.

So kommt es unter anderem zu Muskel- und Sehnenverkürzungen, Konditionsabbau, Schäden am Bewegungsapparat und Störungen bei systemischen Prozessen. Dabei kann der natürliche Reinigungsmechanismus der Atemwege beeinträchtigt werden und den gesamten Stoffwechsel des Tieres aus der Balance bringen. Zudem leiden der Lymphfluss und die Darmmotorik, die erst durch regelmäßige Bewegung ausreichend aktiviert wird und das aufgenommene Futter optimal verdauen kann.  

Steht das Pferd den Großteil der Zeit still, werden zudem Stress und angestaute Energie nicht genügend kompensiert. Das Pferd wird unausgeglichen, entwickelt Übermut oder Apathie, es kommt zum Boxenlaufen, Weben und im schlimmsten Fall zu aggressiven Verhaltensauffälligkeiten. Tiere, die keinen regelmäßigen Auslauf haben, reagieren darüber hinaus schreckhafter auf äußere Reize als Pferde, die bei häufiger freier Bewegung viele Situationen besser einzuschätzen lernen.

Aktive Bewegung ist nicht zuletzt wichtig, um das Verletzungsrisiko für Pferd und Reiter zu minimieren. Tiere, die sich immer wieder auf unregelmäßigen Böden bewegen und einen aktiven Alltag haben, weisen eine höhere Knochendichte und einen stärkeren Muskelapparat auf. Außerdem sind sie beim Reiten sicherer und reaktionsfähiger.

 

Faktoren, die den Bewegungsbedarf beeinflussen

Der tatsächliche Bewegungsbedarf eines Pferdes hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann daher von Tier zu Tier variieren.

Alter

Das Alter spielt dabei eine entscheidende Rolle. So ist für jüngere Pferde so viel Bewegung wie möglich wichtig, um in der Wachstumsphase kräftige Muskeln, Sehnen und Hufe zu entwickeln. Zudem ist ein aktiver Alltag wichtig, um das hohe Energielevel der Jungtiere zu kompensieren.

Auch bei älteren Pferden gilt es für Pferdehalter, eine adäquate und regelmäßige Aktivität beizubehalten, damit die Tiere lange fit und gesund bleiben. Durch abnehmende Kondition und körperlich zunehmende Einschränkungen, wie Arthritis oder Hufprobleme, ist der Bewegungsbedarf jedoch deutlich verringert und sollte immer individuell bemessen werden.

Rasse

Auch die Rasse kann den Bewegungsbedarf beeinflussen. Ein temperamentvolles Vollblutpferd, wie ein Araber, benötigt zum Beispiel mehr Bewegung als ein sanftes Kaltblut, da es für Rennen gezüchtet wurde und somit eine höhere Ausdauer besitzt.

Warmblüter wir Hannoveraner liegen bei Konstitution und Temperament meist in der Mitte zwischen Voll- und Kaltblüter. Sie haben ein aktives und dabei moderates Temperament und können ihren Bewegungsdrang sehr gut als Freizeit- und Sportpferde ausgleichen. Sie werden daher oft im Western-, Dressur- oder Springreiten eingesetzt und sind die perfekten Tiere für Ausritte oder Kutschfahrten. 

Körperliche Verfassung

Der Gesundheitszustand und die Kondition eines Pferdes wirken sich ebenfalls auf den individuellen Bewegungsbedarf aus. Ein Pferd, das beispielsweise übergewichtig ist, benötigt zwar regelmäßig Bewegung, aber die Schwere und Länge der Aktivität sollte immer auf die jeweilige Belastungsgrenze des Tieres abgestimmt sein. 

Bei kranken Tieren ist je nach Erkrankungsform und Beschwerden eine regelmäßige Bewegung sinnvoll, um die Heil- und Muskelkräfte sanft zu aktivieren. Sie sollte dabei stets auf das Krankheitsbild und die dafür empfohlene Aktivität ausgerichtet sein. So ist bei Pferden mit der Muskelerkrankung PSSM, je nach Tagesform und Gesundheitszustand, das Reiten und die Bodenarbeit an der frischen Luft durchaus wichtig. Vor dem Training ist es zudem empfehlenswert, mit dem Tier eine 15-minütige Schritt-Phase als Vorbereitung durchzuführen.

 

Pferd auf Koppel

 

Artgerechte Pferdehaltung mit ausreichend Bewegung

Um den natürlichen Drang nach Aktivität und Auslauf zu befriedigen, sollte der Pferdehof ausreichend Bewegungsmöglichkeiten bieten. Die Bedingungen, die Pferde in freier Laufbahn vorfinden, können dabei innerhalb der begrenzten Möglichkeiten der Pferdehaltung kaum 1:1 umgesetzt werden. Mit folgenden Empfehlungen können Sie aber viel dafür tun, dass Ihre Tiere ihr Pferdewesen so gut wie möglich ausleben können.

Ausreichend Platz

In der Pferdehaltung sollten immer genügend Paddocks, Ausläufe und Koppel-Anbindungen vorhanden sein, um dem Platzbedarf der Tiere gerecht zu werden und ihnen die Bewegung in allen 3 Grundgangarten (Schritt, Trab und Galopp) zu ermöglichen.

Weide

Die Weide sollte dabei grundsätzlich so groß sein, dass jedes Tier – vom Pony bis zum Großpferd – seinem Bewegungsdrang ohne Einschränkungen und Verletzungsrisiko nachgehen kann. 

Achten Sie darauf, die Koppel mit einem stabilen und gut sichtbaren Zaun zu befestigen, um zu verhindern, dass Ihre Pferde ausbrechen oder Unbefugte ohne Weiteres auf das Gelände gelangen können. Ebenso sollten Ihren Tieren genügend Unterstellmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die sie vor widriger Witterung schützen und ihnen ein schattiges Plätzchen bieten, wenn auf der Weide nicht genügend Bäume und Büsche vorhanden sind. 

Ausläufe und Paddocks

Da viele Koppeln im Herbst und Winter geschlossen werden, verlagert sich der Bewegungsmittelpunkt in dieser Zeit vor allem auf Paddock-Flächen. Diese sollten ausreichend groß sein, um auch Trab- und Galopp-Bewegungen zuzulassen. Das BMELV (2009) empfiehlt dafür circa 150 m² für bis zu zwei normal große Pferde und für jedes weitere Tier zusätzliche 40 m².

Wichtig ist es dabei, den Tieren auf diesen Paddocks einen sicheren und matschfreien Untergrund zu bieten. Dafür sollte der Boden durchdacht und zuverlässig befestigt werden. Ein Naturboden allein hält dem aufkommenden Bodendruck und den schlechten Witterungsverhältnissen nicht dauerhaft stand und erhöht das Krankheits- und Verletzungsrisiko für Ihre Tiere.

Sicherer ist ein professionelles Bodensystem, dass den Paddock im Idealfall mit einem 3-Schicht-Aufbau aus stabiler Tragschicht, durchlässiger Trennschicht und solider Tretschicht befestigt. Paddockplatten aus Kunststoff komplettieren das System dabei durch ihre flexiblen Gitterstrukturen besonders effektiv, da sie überschüssiges Wasser zuverlässig in die Tiefe leiten und dem gesamten Boden eine stabile Flexibilität verleihen, der das Pferdebein nachhaltig schont.

Auch ein Bodenaufbau mit Paddockmatten ohne Unterbau oder mit nur leichtem Unterbau ist eine solide Alternative, wenn zum Beispiel keine Tiefbauarbeiten erwünscht sind, Kosten- und Zeitdruck herrscht oder der Boden eine gute Tragfähigkeit besitzt.

Aktiver Alltag und abwechslungsreiches Training

Pferden genau den Umfang an Auslauffreiheit zu bieten, die sie in der Natur genießen, wird auch bei den modernsten und artgerechtesten Formen der Pferdehaltung nicht möglich sein. Dennoch bietet die Offenstallhaltung die besten Bedingungen, um der natürlichen Bewegungsaktivität am nächsten zu kommen.

Durch den ganztägig möglichen Auslauf und die unterschiedlichen Bereiche für Nahrungsaufnahme, Bewegung und Ruhe ist das Pferd dort den ganzen Tag über aktiv. Zudem werden sie im Offenstall in der Herde gehalten und durch die sozialen Interaktionen zusätzlich “auf Trab” gebracht.

Eine sinnvolle Ergänzung sind längere, entspannte Ausritte im Schritt und mit kurzzeitigen Trab- oder Galoppstrecken. Sie entsprechen perfekt den unterschiedlichen Bewegungsarten eines Pferdetages und stärken durch die unterschiedlichen Böden den ganzen Bewegungsapparat. 

Wenn das Wetter für ausgedehnte Ausritte ungeeignet ist, bietet genügend Auslauf auf Paddocks einen adäquaten Ausgleich. 

Darüber hinaus sollten Trainingseinheiten auf dem Reitplatz, dem Roundpen oder im Winter in der Reithalle in jeder Haltungsform regelmäßig Teil des Pferde-Alltages sein. Die Tiere sollten dabei im Vorfeld immer im Schritt, Trab und Galopp erwärmt werden und beim anschließenden Training nicht zu eintönig bewegt werden. Nur durch genügend Abwechslung werden die verschiedenen Muskel- und Gelenkgruppen gleichmäßig trainiert und Ihr Tier behält den Spaß an den gemeinsamen Übungen. 

 

Trainingseinheiten auf befestigtem Reitpatz

 

Je nach Tier, Einsatz und Kondition kann das Repertoire vom Gelassenheitstraining bei der Bodenarbeit und dem Longieren mit Tempi- und Handwechsel bis hin zu Stangenarbeit, Freispringen oder interessanten Zirkusübungen reichen. Auch kreativere Ideen wie ein Ballspiel sorgen für gute Bewegungsmöglichkeiten und eine willkommene Abwechslung.

Im Roundpen können Sie darüber hinaus in einen “Dialog” mit Ihrem Pferd gehen und bei verschiedenen Übungen wie Drehen, Schicken, Folgen, Einladen und Anhalten ein Gefühl füreinander entwickeln. Achten Sie dabei darauf, dass Ihr Tier sich im Roundpen nie zu lange in zu hohem Tempo bewegt, da die Kreisbewegung schnell zur Belastung für den gesamten Bewegungsapparat des Pferdes werden kann.

Nicht jeder Pferdehof hat die Möglichkeiten, ein Offenstallkonzept umzusetzen. Vor allem die Boxenhaltung ist vielerorts noch verbreitet. Halter sollten hier besonders darauf achten, den Tieren täglich ausreichend Bewegung zu bieten. Empfehlenswert ist es daher, längere Spaziergänge, Boden- und Longierarbeiten sowie die freie, ganztägige Bewegung auf Weiden und Paddocks zu kombinieren. Dadurch bieten Sie Ihren Tieren selbst in einer eingeschränkten Boxenhaltung viele Möglichkeiten, um ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachgehen zu können.

Sehr sinnvoll ist zudem die Ergänzung von Führanlagen, bei denen sich Pferde im Schritt bewegen können. Die festen oder mobilen Anlagen sind kein Ersatz für freie Bewegung oder ein abwechslungsreiches Training, sie können aber als Zusatzlösung eingesetzt werden – u.a. zum Aufwärmen der Muskulatur und zur kontrollierten Bewegung in der Rekonvaleszenz. 

In der Pferdehaltung sind darüber hinaus auch Laufbänder verbreitet – gerade, wenn die Besitzer nicht genügend Kapazitäten haben, ihr Tier zu bewegen. Pferde als Bewegungsmaßnahme zu einem großen Teil über diese Bänder laufen zu lassen, ist allerdings nicht zu empfehlen. Das auftretende Bein wird auf dem sich stetig bewegenden Band permanent nach hinten gezogen. Dadurch werden Sehnen und Gelenke unnatürlich belastet und die zum Ausgleich aktivierten Muskeln überstrapaziert. Für gesunde Pferde ist ein permanenter Einsatz auf Laufbändern deshalb ungünstig. Bei der Therapie von verletzten Tieren können sie aber durchaus sinnvoll sein, da auf den Geräten der Bewegungsapparat gezielt mobilisiert werden kann. 

 

Fazit

Viel Bewegung ist neben artgerechter Gruppenhaltung und adäquater Fütterung eine der wichtigsten Säulen für ein gesundes, ausgeglichenes Pferdeleben. Auch wenn die Weite und Auslauffreiheit des natürlichen Lebensraums nicht zu 100% in der Pferdehaltung imitiert werden können, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Ihr Tier aktiv zu halten. Nutzen Sie die Chancen der modernen Pferdehaltung und planen Sie genügend Zeit ein, um sich gemeinsam mit Ihrem Pferd zu bewegen. Dadurch sorgen Sie nicht nur für ein erfülltes Leben Ihres Vierbeiners, sondern bauen auch eine starke Bindung zu Ihrem Liebling auf.

 

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